Sanierung und Modellierung

Die Sanierung bzw. Restaurierung von natürlichen oder künstlichen Seen stellen eine komplexe Aufgabenstellung dar. In der Praxis hat sich eine Vorgehensweise mit den folgenden Einzelschritten als nützlich erwiesen:

 

 

 

Böhringer See mit Zirkulationsanlage (Foto BGL)

  • Definition des Leitbildes
     
  • Erfassung des aktuellen Gütezustandes
     
  • Ermittlung externer und interner Belastungspfade
     
  • Erstellung einer Defizitanalyse und
    Ermittlung des Handlungsbedarfs
     
  • Entwicklung von Maßnahmenoptionen und Prüfung ihrer fallspezifischen Eignung mittels Mo-dellierungen
     
  • Erarbeitung von Maßnahmenempfehlungen und Umsetzungsvorschlägen
 

Definition des Leitbildes

Die Definition des Leitbildes erfolgt auf der Basis des Gewässertyps, der naturschutzfachlichen und naturschutzrechlichen Anforderungen sowie des Nutzungsspektrums. Sinnvoll ist eine numerische Konkretisierung von Zielgrößen, die als Orientierung zur Beurteilung des aktuellen Gütezustandes dienen können. Eine besondere Bedeutung kommt den Qualitätszielen des Nährstoffhaushaltes zu, die z.B. wie folgt aussehen können:

Parameter

Zielgrößen

Trophiegrad

mesotroph oder nährstoffärmer

ges.-Phosphor- Zirkulation (Mischprobe über Gesamttiefe)

<= 45 [µg/l]

ges.-Phosphor- Stagnation (Oberfläche = Epilimnion)

<= 36 [µg/l]

Chlorophyll-a

< 12 [µg/l]

Sichttiefe

>= 2 [m]

Anteil O2 - freie Schicht an Gesamttiefe über Grund

<= 30%

Schwefelwasserstoff (H2 S-S)

< 1 [µg/l]

 

Erfassung des aktuellen Gütezustandes

Der Gütezustand wird durch mehrere Messungen (mindestens einmalig im Frühjahr und im Sommer) erfasst. Untersuchungsgenstände sind zumindest die Seemorphologie, die Anbindung des Sees an Grund- und Oberflächenwasser, die chemisch-physikalische Wasserbeschaffenheit und der Sedimentzustand.

 

Wasseraustauschprozesse eines Beispielgewässers mit dem Grundwasser (Foto BGL)

Entwicklung der Qualitätsparameter Chlorophyll-a und Sichttiefe in Bezug auf die Zielgrößen

Je nach Gewässertyp und Leitbilddefinition ist eine Ausdehnung des Untersuchungsumfangs auf weitere Gegenstände wie Bestandserfassung und Verbreitungsanalysen von Fischen, Makrophyten, Benthos und Plankton erforderlich.

Schilfbestand des Litorals (links) und Chara tomentosa Zone (Fotos Mathias Beck)

Ermittlung externer und interner Belastungspfade

Die Erfassung und Quantifizierung der externen und internen Belastung eines Sees ist eine wesent-liche Grundlage zur Ermittlung der erforderlichen Sanierungsstrategie. Externe Belastungen können aus mehreren Quellen erfolgen, interne Belastungen ergeben sich zumeist durch die Freisetzung von sedimentgebundenem Phosphor.

Quantifizierung des externen Phosphoreintrags in einen See

 

Erstellung einer Defizitanalyse und Ermittlung des Handlungsbedarfs

Aus den Belastungsursachen und den daraus entstehenden Defiziten kann der erforderliche Handlungsbedarf zum Erreichen der gesetzten Güteziele wie im nachstehenden Beispiel dargestellt ermittelt werden.

Ursachen

Defizite und Folgewirkungen

Handlungsbedarf

1. Zu hohe externe Nährstoffzufuhr mit dem Grundwasserzustrom

Langfristig zunehmende Überlastung des Nährstoffhaushaltes durch ansteigende Nährstoffverfügbarkeit im Seewasser. Starke Biomasseentwicklung mit hohem Algenaufkommen und der Gefahr von Blaualgenmassenentwicklungen. Überformungen des Sauerstoffhaushaltes durch Sauerstoffübersättigungen im Sommer mit möglichen Gefährdungen für Fische und andere Gewässerorganismen.

Minderung der externen Belastung durch Sanierungsmaßnahmen im Einzugsgebiet und/oder Verminderung der Nährstoffgehalte im Seewasser. Langfristige Sicherung der Makrophytendominanz.

2. Keimeinträge durch die Avifauna

Stark schwankende Keimbelastungen im Seewasser mit immer vorhandenen hohen Belastungspotentialen und zeitweiligen Belastungsspitzen oberhalb der Grenzwerte. Keine zuverlässige Sicherung des Nutzungsspektrums (Baden), stets latent vorhandene Gefahr eines Badeverbots.

Maßnahmen zur Habitatsteuerung wie Konzentration der Avifauna im Nordbereich des Sees und / oder Reduzierung des Bestandes sowie Verminderung der Sedimentresuspension.

3. Unzureichend ausgeprägte morphologische Strukturen

Fehlen oder teilweise negative Ausbildung von Flachwasserbereichen und sonstiger Gewässerstrukturen mit hoher Habitatqualität. Eingeschränkte Sedimentationsleistung mit Förderung von Schlammakkumulationen im Uferbereich und Mangel an Lebensräumen insbesondere für Fischnährtiere.

Anlage von Strukturelementen wie strukturierte Flachuferbereiche und Totholzablagerungen auf dem Seeboden. Optimierung der Uferstrukturen in Teilbereichen.

4. Teilweise Überformungen des Besiedlungsbildes

Fehlentwicklungen der Fischbesiedlung, der benthischen Gewässerorganismen und des Planktons auch infolge einer an die Bedingungen des Gewässers und seine Ansprüche unzureichend angepasste fischereiliche Praxis.

Optimierung der fischereilichen Praxis insbesondere durch die Ausrichtung auf die natürliche Ertragsfähigkeit und ihre Verbesserung.

 

Entwicklung von Maßnahmenoptionen und Prüfung ihrer fallspezifischen Eignung mittels Modellierungen

Zur Beseitigung einzelner Defizite kommen zumeist mehrere Maßnahmenoptionen in Betracht. Um im Vorwege der Maßnahmenumsetzung höchstmögliche Sicherheit bei der Maßnahmenauswahl zu gewinnen, ist die Prüfung der Maßnahmenwirksamkeit im jeweiligen Einzelfall zu empfehlen.

Zu diesem Zweck kann mit Hilfe rechnergestützter numerischer Modellierungen die langfristige Güteentwicklung eines Sees nach Umsetzung unterschiedlicher Maßnahmen für sämtliche Quali-tätsparameter prognostiziert werden, so dass eine belastbare Entscheidungsgrundlage für die jeweils geeigneteste Maßnahme entsteht. Die Modellierungen erfolgen unter Bezug auf die Klimakennwerte eines mehrjährigen Zeitraums und prognostizieren die langfristigen Auswirkungen ausgewählter Maßnahmen auf die Entwicklung einzelner Parameter wie die Phosphorgehalte.

Prognose der langfristigen Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen auf den Phosphorhaushalt

 

Erarbeitung von Maßnahmenempfehlungen und Umsetzungsvorschlägen

Zumeist sind Beeinträchtigungen der Seewasserqualität nicht auf eine einzelne Ursache zurückzu-führen, so dass die gesetzten Sanierungsziele mit nur einer Einzelmaßnahme oftmals nicht zu erreichen sind. Auf Basis der geprüften Einzelmaßnahmen werden daher abschließend, wie unten Beispiel dargestellt, kombinierte Maßnahmenpläne erarbeitet, die neben der voraussichtlich erreichbaren Effektivität auch Kostengesichtspunkte berücksichtigen.

Maßnahmen

Voraussichtliche Effekte

Effizienz

Kostenschätzung
(Bezugsjahr 2014)

Beseitigung ggf. vorhandener diffuser Phosphorbelastungsquellen im Grundwasserzustrom des Sees

Geringere Phosphorgehalte im Seewasser, Unterbindung starker Algenentwicklungen, Stabilisierung der Makrophytendominanz mit positiven Auswirkungen auf die Badegewässerqualität.

Sofern Belastungsquellen ausfindig gemacht und beseitigt werden können: sehr hoch.

keine Angabe möglich

Wasserentkeimung mittels UVAnlage

Verminderung der Keimeintragspotentiale der Avifauna.

hoch

150.000 Euro

Umfassende Verbesserung der Milieubedingungen durch die Kombination einer Zwangszirkulationsanlage mit der Reinigung des See- und Zuflusswassers in einem Bodenfilter

Die Umsetzung der kombinierten Maß-nahme ist in vollem Umfang zielführend, erfordert aber einen Flächenverbrauch für die Anlage des Bodenfilters und erhebliche Investitionskosten.

hoch

360.000 Euro

Einbringen von Totholz

Allgemeine strukturelle und ökologische Aufwertung mit Langfristfolgen für den Gesamtzustand des Sees.

mäßig bis hoch

30.000 Euro